Mit dem heutigen erfolgreichen Andocken des zweiten Transportfahrzeugs ATV (Automated Transfer Vehicle), das Astrium als Hauptauftragnehmer für die Europäische Weltraumorganisation ESA gebaut hat, konnte ein Stück Weltraumtechnologie aus Jena zum insgesamt vierten Mal ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen.
Das ATV „Johannes Kepler“ besitzt wie sein Vorgänger „Jules Verne“, welcher bereits im Jahr 2008 seine Premiere erlebte, die weltweit einzigartige Fähigkeit, vollautomatisch an die Internationale Raumstation (ISS) andocken zu können. Zum Einsatz kommen bei diesem Prozess die Rendezvous- und Dockingsensoren RVS der Jena-Optronik GmbH, eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Astrium GmbH. Durch die Absicherung eines sehr großen Annäherungsbereichs, die Sensoren arbeiten mit einer hohen Genauigkeit und Zuverlässigkeit ab einer Entfernung von 1500 Metern bis zum zentimetergenauen Docking, tragen sie entscheidend zur Sicherheit für die unbemannte und bemannte Raumfahrt bei.
Mit Hilfe der Spitzentechnologie aus Jena wird das 20 Tonnen schwere ATV (in seiner Größe vergleichbar mit einem Doppelstockbus) sicher zur ISS (in ihrer heutigen Ausbaustufe etwa so groß wie ein Fußballfeld) herangeführt. Zwei Stunden vor dem 45 Minuten dauernden Docking werden die Sensoren eingeschaltet. Das ATV bewegt sich mit fünf Kilometer pro Stunde Relativgeschwindigkeit zur Raumstation, wird mit Hilfe der Sensoren auf wenige Meter pro Minute abgebremst und zielgenau an den CD-großen Dockingpunkt manövriert. Dies geschieht indem die Sensoren Laser-Strahlen als kurze Lichtpulse senden. Ein Spiegelsystem im RVS lenkt diese Lichtpulse zur ISS. Am russischen Andockmodul „Svesda“, an dem das ATV an der Raumstation andockt, sitzen spezielle Reflektoren - vergleichbar mit den Rückstrahlern von Autos, nur wesentlich präziser und deshalb effizienter - die das Laser-Licht zurückstrahlen. Dieses Licht wird vom RVS wieder eingefangen. Aus dem Zeitunterschied zwischen gesendetem und wieder eingefangenem Lichtpuls und der „Blickrichtung“ des Spiegelsystems wird dann berechnet, wie weit die beiden Weltraumgefährte voneinander entfernt sind, welche Relativ-Geschwindigkeit diese haben und in welchem Winkel sie zueinander liegen, damit das Transportfahrzeug schließlich zielgenau und sicher andocken kann.
Die Rendezvous- und Dockingsensoren der Jena-Optronik sind seit mehr als zehn Jahren erfolgreich im Einsatz. Neben der ESA nutzen weitere internationale Transportfahrzeuge die komplexen opto-elektronischen Produkte aus Jena. Das Unternehmen konnte sich als langfristiger und verlässlicher Partner für internationale Raumfahrtmissionen etablieren.
Das ATV-2 „Johannes Kepler“ ist durch Designänderungen und technische Überarbeitung gegenüber ATV-1 derzeit das technisch komplexeste Raumfahrzeug, das je in Europa entwickelt wurde. Das Transportfahrzeug beliefert die ISS und deren Besatzungsmitglieder mit Treibstoff, Wasser, sowie Lebensmitteln und kann insgesamt bis zu 7085 Kilogramm Fracht, und somit mehr als der Vorgänger „Jules Verne“ laden. Es übernimmt eine zentrale Rolle bei der Versorgung der ISS. Eine weitere Aufgabe des ATV besteht darin, die Internationale Raumstation wieder in Ihre Umlaufbahn zu heben. Die ISS sinkt täglich um 50 bis 100 Meter und muss bei diesem Manöver über 40 Kilometer angehoben werden. Die ISS spart so erheblich Treibstoff, denn allein für diesen Vorgang sind 80 Prozent des ATV-Frachttreibstoffes eingeplant. Nach etwa 100 Tagen im All wird das ATV vom Andockmodul der ISS wieder freigegeben und durch das Kontrollzentrum auf die Rückreise geschickt. Beim kontrollierten Wiedereintritt in die Atmosphäre verglüht es und einige Bruchstücke fallen in unbewohnte Gebiete im Südpazifik.