Wie aus Science-Fiction Realität wurde… 36.000 km über der Erde

Das „Mission Extension Vehicle-1“ (MEV-1) von Northrop Grumman ist am 25. Februar 2020 erfolgreich am Satelliten Intelsat 901 (IS-901) angedockt. Jetzt ist MEV-2 erfolgreich an Intelsat IS-1002 angedockt – wieder einmal mit Raumfahrttechnik aus Jena.

 

Das Mission Extension Vehicle-2 (MEV-2) von Northrop Grumman für SpaceLogistics ist am 15. August 2020 gestartet.  Die Jena-Optronik GmbH stellt auch dieses Mal die Sensoren für das An- und Abdocken des MEV-2.

 

Die aus Jena bereitgestellten Systeme umfassen den Rendezvous- und Docking-Sensor RVS®3000-3D und das Kamerasystem RVS®cam (VSS, „Visual Sensor Suite“) sowie die flugerprobten Sternsensoren ASTRO®APS.

 

„Die MEV-Mission ist bisher absolut einzigartig. Jeder junge Ingenieur träumt davon, an etwas so Spannendem teilzuhaben. An etwas, das man seinen Enkeln später erzählen kann. Ein LiDAR für die MEV-Mission zu konzipieren und zu qualifizieren war für mich diese Erfahrung“, meint Christoph Schmitt, der Projektmanager für den RVS3000-3D bei Jena-Optronik. „Unsere Mission bestand darin, einen Sensor zu entwickeln, der einen nicht für Andockmanöver konzipierten Satelliten identifizieren und verfolgen konnte. Das LiDAR muss 15 Jahre lang zuverlässig in einer sehr rauen GEO-Umgebung funktionieren, wo es starker Strahlung ausgesetzt ist. Es muss trotz der widrigen Umstände hochauflösende 3D-Bilder (Punktwolken) eines Satelliten erzeugen können. Außerdem mussten wir hochkomplexe Bildverarbeitungsalgorithmen von Grund auf selbst konzipieren und implementieren, um die Position und Fluglage des Zielsatelliten zu berechnen. Die Kombination aus Sensoren und Algorithmen erlaubt es dem MEV, sich sicher an seine Ziele anzunähern und an ihnen anzudocken. Der Moment, als die neue Sensorgeneration tatsächlich im All mit ihrem ersten Zielsatelliten Intelsat 901 interagierte, war definitiv ein Moment, von dem ich meinen Enkeln erzählen werde.“

 

Dieselbe Ansicht – ein anderes Bild

 

Das linke Bild zeigt den IS-901 in seiner geostationären Umlaufbahn. Im Hintergrund ist die Erde zu sehen. Die rechte Seite ist eine überlagerte Darstellung aus mehreren Aufnahmen unseres RVS3000-3D – der Vergleichspunkte – mit dem entsprechend angepassten CAD-Modell des IS-901. Das Bild zeigt, was im Inneren des intelligenten RVS3000-3D-Sensors passiert.

 

(c) Northrop Grumman - MEV-01 und Satellit IS-901

Reales Bild des IS-901 in seiner Umlaufbahn (links): Ansicht der VSS von Jena-Optronik im MEV-1

Scan und Positionsvisualisierung des Satelliten vom RVS3000-3D (rechts)

Bilder © Northrop Grumman

 

 

Vielfältige Zukunft für Robotik-Missionen im All

 

Für zukünftige Missionen wie Wartungsarbeiten in der Umlaufbahn (On-Orbit Servicing, OOS), die Entfernung von Weltraumschrott oder Landungen auf Planeten wird ein leistungsfähiges LiDAR-System (LiDAR: Light Detection and Ranging) für die 3D-Bildgebung benötigt. Außerdem sind hochentwickelte Bildverarbeitungstechnologien notwendig, um Raumfahrzeuge zu Zielobjekten im All zu manövrieren, welche ursprünglich nicht dafür vorgesehen waren. Das neue 3D-LiDAR RVS3000-3D von Jena-Optronik stellt für beide Herausforderungen eine Lösung dar. Es kombiniert hochauflösende LiDAR-Scans mit robusten Algorithmen zur Positionsbestimmung.

 

„Der faszinierendste Teil dieser Mission ist, dass viele Teammitglieder des RVS3000-Teams Schüler waren, als der GEO-Satellit, an den wir andocken wollen, entworfen wurde. Man kann sich kaum vorstellen, wie damals all die Zeichnungen und Analysen erstellt wurden. Es gibt kein CAD-Modell – wir haben nur Fotos, die während der Integration des Satelliten gemacht wurden. Niemand weiß, wie der Satellit nach vielen Jahren in seiner Umlaufbahn aussieht.  Heute werden wir daran andocken.  Es klingt verrückt, aber genau das spielt sich über unseren Köpfen ab!“, erklärt Dr. Reinhard Berger, Leiter Projekte und Programme bei Jena-Optronik GmbH. „In naher Zukunft sind noch viel komplexere Missionen geplant und möglich. Was 1990 noch Science-Fiction war, ist nun Realität – und was heute Science-Fiction ist, wird sehr bald möglich sein! Das ist auch nicht das einzige aktuelle Projekt im Weltraum: wir denken auch an Möglichkeiten, auf dem Mond und sogar auf dem Mars zu landen und zu bleiben.“

 

Rendezvous im All: eine lange Geschichte

 

Die LiDAR-Projekte bei Jena-Optronik begannen in den 1990er-Jahren mit einem ESA-Projekt, das den ersten Prototyp des Rendezvous- und Docking-Sensors RVS ins All brachte. Der erste RVS kam auf zwei Flügen zur russischen Raumstation MIR bei den Raumfährenmissionen STS-84 und STS-86 der NASA zum Einsatz.

 

In Reaktion auf die Nachfrage nach unbemannten Versorgungsmissionen zur Internationalen Raumstation ISS machte das Team von Jena-Optronik den nächsten Schritt und entwarf, konstruierte und qualifizierte die finale Version des Rendezvous- und Docking-Sensors RVS zur Nutzung in europäischen, japanischen und US-amerikanischen Weltraumgefährten auf dem Weg zur ISS.

 

Für zukünftige Anwendungen wie beispielsweise Wartungsarbeiten in der Umlaufbahn (On-Orbit Servicing, OOS) oder planetare Landungen wurde ein leistungsfähigeres LiDAR-System für die 3D-Bildgebung benötigt. Das Konzept für ein neues, leistungsfähigeres und gleichzeitig kompaktes und kosteneffizientes LiDAR-System wurde einerseits als Ersatz für den alten RVS-Sensor und andererseits für weitere Missionsszenarien entwickelt – so entstand die RVS3000-Produktfamilie.

 

Die RVS3000-Produktfamilie besteht aus dem RVS3000 und dem RVS3000-3D. Die zusätzlichen Fähigkeiten der RVS3000-3D-Variante stellen die autonome Identifizierung von Strukturen sicher und ermöglichen Missionen wie die der MEV oder zukünftige Landungsmissionen auf dem Mond, dem Mars und anderen Himmelskörpern. Die Systeme verwenden das Laufzeitprinzip für die LiDAR-Messung – dasselbe Konzept wurde auch in den bisherigen Projekten erfolgreich genutzt. RVS3000 und RVS3000-3D sind modular aufgebaut, wobei beide Sensorversionen denselben mechanischen Aufbau und dieselbe Grundfläche aufweisen.

 

 

Bilder © Northrop Grumman

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